Insekten, Spinnentiere und Schnecken

Arachnophilie: Spinnenliebe

Mein Biologenherz schlägt für Spinnen – vor allem für unsere heimischen Webspinnen. Spinnen sind nicht sonderlich beliebt und entsprechen absolut nicht unserer Vorstellung von einem Kuscheltier. Vielleicht sind sie uns aber auch nur sehr fremd. Um das zu ändern möchte ich Ihnen, liebe Leser, die „kleinen Spinner“ an dieser Stelle etwas näher bringen.

Gartenkreuzspinne.
Gartenkreuzspinne mit erbeuteter Fliege. Foto: © Ursula Bauer

Bei Spinnen scheiden sich die Geister. Manche finden sie faszinierend und halten sich sogar exotische Vogelspinnen als Haustiere. Bei anderen wecken Spinnen jedoch Ekel, Abscheu und Grusel. Geschürt wird die bei vielen Menschen zumindest latent vorhandene Abneigung durch unzählige Horrorfilme mit reißerischen Titeln wie „Spider Attack“, „Mörderspinnen“ und „Spinnen des Todes“, in denen Spinnen zu riesigen Monstern mutieren, Menschen töten und ganze Städte in Angst und Schrecken versetzen. Ist die Furcht vor Spinnen derart stark ausgeprägt, dass regelrecht Panik empfunden wird, sprechen wir von Arachnophobie.

Woher kommt diese Arachnophobie, also die krankhafte Angst vor Spinnen? Ich habe vor vielen Jahren selbst einmal die Panikattacke eines Freundes miterlebt. Angesichts eines winzigen Spinnchens, welches über das Armaturenbrett krabbelte, stoppte dieser erwachsene Mann sein Auto mitten auf einer Kreuzung und floh Hals über Kopf. Erst nachdem ich das Tier in sicherer Entfernung ausgesetzt hatte, war er bereit, die Fahrt fortzusetzen – schweißgebadet und am ganzen Körper zitternd. Psychologen sehen eine Ursache dieser Angststörung in der Tatsache, dass Menschen dahin tendieren, vor Tieren und Gegenständen Angst zu haben, die vom menschlichen Erscheinungsbild stark abweichen. Allerdings gibt es zahlreiche Tiere, die noch weitaus weniger dem Menschen ähneln als Spinnen. Zum Beispiel Schnecken oder Würmer, die noch nicht einmal Beine haben. Aber von einer Schnecken- oder Regenwurmphobie hat man noch nie gehört. Des Weiteren könnte die Angst vor Spinnen auch genetisch fixiert sein. Schließlich gibt es tatsächlich diverse gefährliche Spinnentiere und selbst heute sterben jedes Jahr mehrere tausend Menschen zum Beispiel an Stichen von Skorpionen. Die vor Urzeiten angelegte, früher durchaus berechtigte Furcht vor Spinnen könnte also weitervererbt und daher bis heute erhalten sein, selbst wenn aktuell die Gefahr durch Spinnen in den meisten Ländern dieser Erde verschwindend gering ist.

Die Angst vor Spinnen ist oft angelernt

Letztendlich könnte die Angst vor Spinnen auch einfach nur erlernt sein. Wenn die Eltern sich vor den Achtbeinern fürchten, denken die Kinder, dass diese Tiere gefährlich sind und übernehmen automatisch das elterliche Verhaltensmuster. Ich persönlich halte diese Erklärung für sehr plausibel. Meine Mutter hat uns von klein auf vorgelebt, dass alle Lebewesen, auch die kleinsten Krabbeltierchen, Achtung und Respekt verdienen. Jedes Wesen in Not wird gerettet, nie wird ein Tier geschlagen, geschweige denn getötet (Ausnahme Stechmücken). Ich und meine drei Geschwister haben dieses Verhalten adaptiert. Angst oder gar Panik vor Spinnen kennen wir nicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Furcht vor Spinnen bei sogenannten Naturvölkern so gut wie unbekannt ist.

Von den weltweit etwa 38.000 bekannten Spinnenarten kommen knapp 1.000 Arten in Deutschland vor. Spinnen findet man in allen Lebensräumen außer im Meer. Sie besiedeln selbst die Oberflächen von Gewässern und eine Spinnenart, die auch in Deutschland vorkommende Wasserspinne (Argyroneta aquatica), lebt sogar unter Wasser mit Hilfe einer Luftglocke. Um gleich mit einem gängigen Vorurteil aufzuräumen: Spinnen können nicht stechen – weder exotische noch heimische. Denn Spinnen besitzen keinen Stachel wie etwa Bienen, Hummeln oder Wespen. Spinnen beißen. Ihre Beißwerkzeuge bestehen aus zwei Dornen am Vorderkörper, die mit je einer Giftdrüse verbunden ist. Mit diesen Dornen wird die Beute gebissen und durch das Spinnengift gelähmt. Durch einen zweiten Biss wird eine Flüssigkeit in das Beutetier gespritzt, wodurch sich sein Inneres auflöst und von der Spinne ausgesaugt werden kann. Für den späteren Verzehr werden auch gerne betäubte Beutetiere gut eingesponnen ins Netzt gehängt. Vor dem Biss einer europäischen Spinne braucht sich niemand zu fürchten – ihr Gift ist für Menschen ungefährlich und ihre Beißwerkzeuge viel zu schwach, um die menschliche Haut zu verletzen. Wirklich giftig sind nur einige wenige tropische Spinnenarten.

Die eifrigsten Spinner sind die Weibchen

Echte Spinnen besitzen sechs bis acht Augen und haben wie alle Vertreter der Spinnentiere 8 Beine – Insekten dagegen nur 6. Mit diesen Beinen, die mit unterschiedlichen Haaren und Gruben versehen sind, können sich die Spinnen nicht nur fortbewegen, sondern auch hören, riechen und fühlen. Und ihre Netze weben. Das hierfür benötigte Sekret wird in den Spinndrüsen im Hinterleib produziert und als sehr feiner Strahl über die Spinnwarzen nach außen abgegeben. An der Luft erhärtet es sofort zu der feinen Spinnseide, die nun weiterverarbeitet werden kann. Verschiedene Drüsen im Spinndrüsenapparat produzieren unterschiedliche Sekret- Arten für eine Reihe verschiedener Fäden. Unsere Gartenkreuzspinne etwa besitzt sechs Spinndrüsen und kann daher sechs verschiedene Fadensorten herstellen. Durch das Zusammendrehen mehrerer Einzelfäden entstehen recht dicke und stabile Fäden. So besteht beispielsweise der Sicherheitsfaden der Gartenkreuzspinne aus 200 Einzelfäden.

Übrigens sind die eifrigsten „Spinner“ die Weibchen. Sie weben teilweise komplizierte Fangnetze und Kokons für ihre Eier. Die männlichen Spinnen können zwar auch Netze bauen, sind aber viel auf Wanderschaft und wenig ortstreu. Die Spinnseide ist nicht nur sehr elastisch, unglaublich reißfest und dehnbar, sondern auch fester als Stahl. Die zahlreichen Versuche, diese wundersamen Spinnfäden künstlich herzustellen, haben bisher noch nie ein Ergebnis hervorgebracht, welches annähernd dem natürlichen Produkt entspricht. Eine in Neuguinea heimische Seidenspinne baut das angeblich größte Netz der Welt. Es kann bis zu zwei Meter Durchmesser erreichen und ist derart stabil, dass es angeblich von einheimischen Fischern sogar zum Fischfang benutzt wird.

Spinnengewebe dient vorrangig dem Schutz und dem Beutefang. Hier hat jede Spinnenart ihre ganz eigene Strategie entwickelt. Am bekanntesten sind wohl die von unserer heimischen Kreuzspinne hergestellten Radnetze. Ebenfalls sehr häufig kann man in der Krautvegatation die Netze der Baldachinspinnen finden, die in verschiedenen horizontalen Ebenen angelegt sind. Andere Arten bauen Trichter- oder Röhrennetze. Viele Spinnennetze bestehen aus klebrigen und nicht klebrigen Fäden. In der Regel werden Klebetröpfchen nur auf dem spiralig verlaufenden Fangfaden angebracht. Die Mitte des Netzes, in dem die Spinne sitzt sowie die nach außen verlaufenden Befestigungsfäden sind dagegen ohne „Klebstoff“. Wenngleich alle Spinnen Fäden produzieren können, webt doch nicht jede Art ein Fangnetz. Neben den Netzbauern gibt es beispielsweise noch die Lauerjäger, die lediglich dünne Signalfäden auslegen und in einem Versteck warten, bis die Beute über die Fäden stolpert. Arten, wie etwa die Krabbenspinne, sitzen, teilweise farblich dem Untergrund perfekt angepasst, auf Blumen und stürzen sich auf Fluginsekten, welche die Blüten auf der Suche nach Nektar besuchen. Springspinnen wiederum wandern herum und überwältigen Beutetiere, die sie mit ihren großen Augen erspäht haben.

Der Flug einer Baldachinspinne erreicht bis zu 1000 Meter Höhe

Die Spinnfäden werden außerdem als Flughilfe genutzt. Von einem erhöhten Punkt aus stellt die Spinne ihre Spinnwarzen in die Höhe und produziert einen langen Faden, der vom Wind erfasst wird und die Spinne mitreißt. Dem Wind völlig ausgeliefert, weiß die Spinne nie, wohin sie fliegt und wann sie wieder landen wird. Bis 1.000 Meter hoch kann so ein Flug gehen. Das hat man durch Flugzeuge festgestellt, die in dieser Höhe solche „Flugspinnen“ erfasst haben. Vor allem im Herbst segeln oft massenweise junge Baldachinspinnen an ihren Fäden durch die Luft. Diesem Phänomen verdanken wir den Begriff „Altweibersommer“, da die langen Spinnenfäden die Menschen an das graue Haar alter Frauen erinnern. Spinnen sind reine Fleischfresser, die sich in der Regel von Insekten ernähren. Sie reagieren auf alles, was sich bewegt und nicht wesentlich größer als sie selbst ist. Daher ist auch die Paarung für die Spinnenmännchen eine gefährliche Angelegenheit, denn das meist deutlich größere Weibchen kann schnell mal den Spinnenmann mit einer potentiellen Beute verwechseln. Eine Besonderheit hinsichtlich der Ernährung ist beispielsweise die Gerandete Jagdspinne (Dolomedes fimbriatus), die an Gewässern lebt und Molche, Kaulquappen und sogar kleine Fische jagt.

Spinnen gibt es seit fast 300 Millionen Jahren

Schätzungen zufolge fressen etwa 13.000 Spinnen, die auf 100 Quadratmeter naturnahem Wiesenland leben, jährlich etwa 5 Kilogramm Insekten. Als Schädlingsvertilger sind diese geschickten Jäger also sehr nützlich. Und auch als Mitbewohner im Haus leisten sie wertvolle Dienste, indem sie lästige Fliegen, Asseln und Mücken fressen. Etwa 20 heimische Spinnenarten haben sich als sogenannte Kulturfolger auf ein Leben in menschlichen Behausungen spezialisiert. Zu den häufigen Arten zählen die Haus-Winkelspinne (Tegenaria domestica) und die Zitterspinne (Pholcus phalangioides). Während die meisten „Hausspinnen“ eher feuchte Kellerräume bevorzugen, lebt die zierliche Zitterspinne auch in beheizten Neubauwohnungen, wo sie ihr unregelmäßiges Netz in einer Zimmerecke baut. Ihren Namen verdankt diese Spinne ihrem interessanten Schutzverhalten. Bei Gefahr beginnt sie zu zittern, wodurch ihre Konturen verschwimmen und sie für potentielle Fressfeinde nicht mehr so leicht wahrnehmbar ist. Auch wenn man ein Spinnennetz mit Bewohner in seiner Zimmerecke nicht mag, sollte man zumindest im Keller oder Schuppen diese harmlosen Mitbewohner tolerieren. Anstelle eines inneren Skeletts aus Knochen besitzen Spinnen ein Außenskelett aus Chitin. Bei manchen Tieren wie etwa Käfern ist diese Chitinhülle fest und hart wie ein Panzer. Die Chitinhaut der Spinnen ist nicht so massig, verleiht dem Körper jedoch die erforderliche Stabilität. Und sie ist starr, daher muss sich die Spinne häuten, wenn sie wachsen will. Ja, auch die teilweise sehr filigranen Beine häuten sich mit. Praktisch: Hat die Spinne einmal ein Bein verloren, kann dieses mit der nächsten Häutung regeneriert werden. Spinnen sind hochinteressante, überwiegend völlig harmlose Nützlinge, die einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des natürlichen Gleichgewichts leisten. Es gibt sie seit fast 300 Millionen Jahren, also schon lange bevor Dinosaurier die Erde bevölkert haben. Ihre Netze sind ein grandioses Wunder der Natur! Wenn wir sie schon nicht lieben können dann sollten wir sie wenigstens respektieren und schützen.

Chitinhaut
Abgestreifte Chintinhäute von Vogelspinnen. Foto: © Ursula Bauer Foto: © Ursula Bauer

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.