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Ungeliebte Viecher

Kleine tierische Gäste in oder am Haus sind nicht jedermanns Sache, und ich verstehe, dass sich nicht alle Menschen über eine Spinne in der Zimmerecke, eine Wanze im Waschbecken oder eine Wespe auf dem Kuchen freut. Aber muss es immer gleich Mord sein?

Kleine tierische Gäste in oder am Haus sind nicht jedermanns Sache. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Vorweg: Hier geht es nicht um eine Lebensmittelmotten- Plage oder eine Invasion von Kakerlaken, sondern um einzelne oder wenige Tierchen, die im Haus oder auf der Terrasse als störend empfunden werden.

Die allgegenwärtigen Tipps GEGEN Insekten, Hundertfüßer, Spinnen und Co. im Internet und in den Printmedien regen mich auf. Denn die angeratenen Maßnahmen sind langweilend ähnlich: Man soll zum Beispiel die kleinen Krabbeltiere und Flugobjekte mit Haarspray, flüssigem Klebstoff oder Deo ansprühen. Resultat: Tod durch Verkleben der Beine und Flügel. Das ebenfalls angepriesene doppelseitige Klebeband, am Boden oder der Wand angebracht, führt zum gleichen Ergebnis. Allerdings dauert das Todesgezappel länger. Ein weiterer vermeintlich heißer Tipp ist die chemische Keule (Pestizide), die das Nervensystem der Tiere angreift und ebenfalls tötet. Fällt den Autoren solcher „Ratgeber“ denn wirklich nichts anderes ein als Anweisungen zum martialischen Quälen und Töten? Statt die positiven Eigenschaften der Nützlinge hervorzuheben und den rücksichtsvollen Umgang mit jedem Lebewesen in den Vordergrund zu stellen, wird versucht, die verschiedenen Tötungsmethode als legitime Mittel im Kampf gegen diese vermeintlichen Horrorwesen hinzustellen.

Mord und Totschlag

Viele Menschen benötigen erst gar keine Tipps, sondern greifen ganz automatisch zu Zeitung, Handtuch, Fliegenklatsche oder Staubsauger, um die kleinen, ungebetenen Gäste zu eliminieren. Ameisen werden einfach totgetreten, wenn sie in der Wohnung oder auf dem Balkon auftauchen. Beliebt sind auch elektrische Insektenvernichter, die es in jedem Baumarkt oder im Internet zu kaufen gibt. Die Geräte locken mit Hilfe einer Lichtquelle Insekten an, die dann in einem stromführenden Gitter oder durch einen Ventilator getötet werden. Da in diesen Apparaten alles stirbt, was anfliegt, fallen ihnen auch seltene und geschützte Insekten zum Opfer. Vor allem, wenn diese „Elektrogrills“ im Außenbereich aufgestellt werden, was eigentlich verboten ist. Da die Geräte jedoch ohne entsprechenden Hinweis angeboten werden, ist davon auszugehen, dass sie auch auf der Terrasse benutzt werden.

Biergartenbesitzer gehen meistens den kostengünstigsten Weg und hängen einfach halb gefüllte Limoflaschen auf. Vom Zucker angelockt, kommen Wespen in Scharen angeflogen, so dass die Gefäße in kurzer Zeit mit hunderten um ihr Leben zappelnden Insekten gefüllt sind. Jeden Tag, geschützte Arten inklusive. Dabei würde es reichen, wenn die Gläser schnell gespült und Getränkeflaschen komplett geleert würden, so dass kein Anreiz besteht. Leider sitzen die meisten Gäste ganz entspannt neben diesem Massensterben, statt sich aufzuregen und mit einer Anzeige zu drohen.

Von Chemie ist grundsätzlich dringend abzuraten. Viel zu gefährlich für die eigene Gesundheit! Auch Experimente mit Flüssigklebstoff oder Haarspray sollte man im eigenen Interesse besser lassen, da sie leicht entzündlich sind und zusammen mit einer glühenden Zigarette sogar zu einem veritablen Hausbrand führen können.

Klein und gemein?

Immer wieder wird den kleinen Tierchen unterstellt, sie würden „ihr Unwesen“ treiben. Als säßen sie in einer dunklen Ecke unserer Wohnung, darüber grübelnd, was sie uns als nächstes Schreckliches antun könnten. Dabei sind die sogenannten Gliederfüßer, zu denen unter anderem Spinnen, Schmetterlinge, Käfer, Tausendfüßer und Krebse gehören, ausschließlich instinktgesteuert. Im Wesentlichen dreht sich ihr Leben um fressen, schlafen und vermehren. Ein wie auch immer geartetes bösartiges Treiben gehört nicht zu ihrem Verhaltensrepertoire. Dem armen Spinnenläufer, dessen ursprüngliche Heimat der Mittelmeerraum ist, wird außerdem unterstellt, er hätte es nun über die Alpen geschafft und würde sich bei uns breitmachen. Sofort taucht das Bild eines fiesen Monsters mit Rucksack und Wanderschuhen auf, der ganz bewusst nach Deutschland gestapft ist, um uns das Leben zur Hölle zu machen. Dabei dehnt sich das Verbreitungsgebiet des wärmeliebenden Spinnenläufers aufgrund des Klimawandels aus. Und wer den zu verantworten hat, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.

Der freundliche Umgang mit kleinen Tieren kann erlernt werden. Foto: © Ursula Bauer

Woher kommt diese Abneigung?

Natürlich gibt es ernstzunehmende Phobien zum Beispiel gegen Spinnen, die jedoch in der Regel gar nichts mit dem Tier zu tun haben und behandelbar sind. Meist ist die Furcht oder auch der Ekel vor krabbelnden oder fliegenden Kleintieren jedoch nicht krankhaft, sondern anerzogen. Wenn schon die Eltern beim Anblick einer Wespe in Panik geraten und wild danach schlagen, kann man nicht erwarten, dass das Kind entspannt und im besten Fall neugierig reagiert. Kinder sind von Natur aus empathisch. Die Rettung oder Umsiedelung eines Tierchens kann daher ein tolles Eltern-Kind-Projekt sein, von dem der Nachwuchs noch lange begeistert sprechen wird.

Der Spinnenläufer (Scutigera coleoptrata)

Auch wenn der Name anderes vermuten lässt, handelt es sich bei diesem interessanten Tier um einen Hundertfüßer. Seine ursprüngliche Heimat ist der Mittelmeerraum. Inzwischen ist die Art jedoch fast überall auf der Welt anzutreffen. Auch in weiten Teilen Deutschlands findet man Spinnenläufer. Allerdings vorrangig in Gebäuden, wo sie den meisten Menschen vor allem aufgrund der beachtlichen Größe von bis zu 15 cm und den langen Antennen und Beinen Angst einjagen. Im Freiland kommen sie nur in sehr warmen Biotopen wie Weinbergen vor, wo sie als Schädlingsvertilger gern gesehen sind. Die nachtaktiven Spinnenläufer können sich schnell und geschickt fortbewegen und erbeuten Unmengen von Fliegen, Spinnen, Motten und Silberfischchen. Daher sollte man sich grundsätzlich über diesen Gast freuen, zumal er ungefährlich ist und sofort die Flucht ergreift, wenn er sich bedroht fühlt.

Spinnenläufer können mit ihren Mundwerkzeugen die menschliche Haut nicht durchdringen. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Alle schreien „rettet die Insekten“

Wahrscheinlich, weil auch der Letzte inzwischen verstanden hat, dass es ohne deren Bestäubungsleistung irgendwann weniger Obst und Gemüse gibt. Das war es dann aber auch. Alle anderen Kleintiere scheinen unwichtig. Dabei sind zum Beispiel Spinnen mindestens genauso nützlich. Ohne diese natürlichen Schädlingsvertilger könnten wir uns im Haus vor Mücken nicht mehr retten und Landwirte müssten noch mehr Insektenvernichtungsmittel versprühen. Spinnen sind jedoch keine Sympathieträger, haben ein schlechtes Image. Vielleicht ihres Giftes wegen. Aber das besitzen die geliebten Bienen auch. Liegt eine Allergie vor, kann ein Bienenstich sogar einen gefährlichen allergischen Schock auslösen.

Die tut nix! Spinnen sind mindestens genauso nützlich wie Bienen. Foto: © Ursula Bauer

Gesetzlicher Schutz

Spinnen, Insekten und Co. sind sogenannte Wirbellose und fallen als solche zwar nicht unter das Tierschutzgesetz. Zahlreiche seltene Arten sind jedoch nach Bundesnaturschutzgesetz oder Bundesartenschutzverordnung besonders oder streng geschützt. Wer diese Tiere fängt, verletzt oder tötet, muss mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro rechnen.

Bitte recht freundlich!

Haben nicht alle Lebewesen, unabhängig von gesetzlichen Regelungen, das Recht auf respektvolle Behandlung und Achtung vor ihrer Bedeutung im ökologischen Gefüge? Fühlen die Winzlinge ohne Wirbel nicht vielleicht doch auch Furcht und Schmerzen? Selbst wenn sie anstelle eines ordentlichen Gehirns nur zwei dicke Nervenknoten besitzen, die an ein primitives strickleiterförmiges Nervensystem angeschlossen sind.

Schade, dass diese kleinen Kreaturen nicht schreien können. Der Lärm von 300 Wespen, die langsam in Lockfallen mit süßer Limo ertrinken, würde uns nicht unberührt daneben sitzen lassen. Und erst die Klagelaute eines fürsorglichen Zitterspinnen- Weibchens, wenn es mitansehen muss, wie der frischgeschlüpfte Nachwuchs im Staubsaugerrohr verschwindet. Das möchten Sie nicht hören!

Ich würde mich freuen, wenn Sie, liebe Leser, in Zukunft nicht mehr so schnell zur Fliegenklatsche greifen und anstelle der Tipps GEGEN Tiere vielleicht die nachfolgenden Ideen FÜR einen tierfreundlichen Umgang mit unseren Mitgeschöpfen anwenden.

Vor allem Zitterspinnen in der Wohnung sind völlig normal. Kein Zeichen von schlechter Hygiene und kein Grund zur Panik. Foto: © Ursula Bauer

Selbsterprobte Tipps zum Umgang mit kleinen Tieren im und am Haus

Mit der Hand fangen und raussetzen

Geeignet für Unerschrockene ohne Berührungsängste. Aber bitte Vorsicht – der allzu beherzte Zugriff kann zu Verletzungen und zum Verlust von Beinen und Flügeln führen (natürlich beim Tier). Außerdem können Spinnen im Würgegriff beißen, Wespen stechen und Stinkwanzen ihr seltsam riechendes Verteidigungssekret absondern.

Lebendfang mit Hilfsmittel

Geeignet für Grobmotoriker und eher Vorsichtige. In der Regel benutzt man dazu ein Glas, stülpt es über das Tier und schiebt ein Stück Papier darunter. Anstelle des Glases kann ein sogenannter Insektenfänger benutzen werden. Mir ist das zu umständlich, aber meine Kollegin findet, es schaffe den für Nichtbiologen nötigen Abstand zu den „Krabbelviechern“. Egal wie gefangen wird, das Tier kommt wieder nach draußen. Hier sollte man allerdings erstmal einen Blick aus dem Fenster werfen. Wenn es stürmt und schneit, dürfen wir beispielsweise keinen Spinnenläufer aussetzen. Der kommt aus südlichen Gefilden, kann sich in der Kälte nicht bewegen und würde jämmerlich sterben. Alternativ können Spinnen und Co. auch im Speicher, Naturkeller oder Gartenhaus ihre kostenlose Schädlingsbekämpfung fortsetzen.

Fliegengitter

Geeignet für Pragmatiker. Was nicht reinkommt, kann nicht nerven. An Fenstern und Außentüren angebracht, werden durch Fliegengitter tatsächlich fast alle Tiere ferngehalten.

Essigessenz

Geeignet für Sparsame. Dieser günstige Haushaltshelfer vertreibt Ameisen im Nu. Die kleinen Hautflügler fühlen sich manchmal auf Balkon oder Terrasse allzu wohl und ihre Ausflüge ins Haus gefallen auch nicht jedem. Tränken Sie einfach einige Stückchen saugfähiges Papier (Tempo, Klopapier o.ä.) mit Essigessenz und verteilen Sie diese an den Laufwegen der Ameisen oder z.B. an einem Blumentopf mit einem Ameisennest darin. Der Ekel gegen den Essiggeruch ist den Winzlingen tatsächlich anzusehen, und ich könnte schwören, dass ich gesehen habe, wie sich eine Ameise geschüttelt hat. Auf jeden Fall wird das ganze Volk zügig das Weite suchen und spätestens nach 2 Tagen werden Sie keine Ameise mehr sehen.

Futterstelle für Wespen

Geeignet für Entspannte. Ab dem späten Frühling bis in den Herbst hinein steht auf meinem Balkon in einer Ecke ein Unterteller, auf dem ich Erdbeerstrünke, überreife Trauben oder Melonenstückchen lege. Die Wespen, die jedes Jahr Nester in der Fassade bauen, konzentrieren sich auf dieses Nahrungsangebot und lassen unser Essen und Trinken in Ruhe.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.